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Krank bei der Arbeit zu erscheinen ist für alle Beteiligten doof. Wieso gibt es dann Präsentismus und was kann man als Arbeitgeber dagegen tun?
„Ach, so krank bin ich nicht.“
„Ich kann es mir nicht leisten krank zu sein. Am Ende müssen es meine Kolleginnenausbaden.“
„Bei dem Online-Meeting kann ich ja kurz teilnehmen.“
Kommen dir diese Sätze bekannt vor? Wahrscheinlich schon. Was dahinter steckt ist Präsentismus. Unter Präsentismus versteht man, wenn Personen arbeiten, obwohl sie eigentlich krank sind. Wo genau Krankheit anfängt und wo sie aufhört ist hierbei sehr schwer zu definieren und es liegt an der betroffenen Person die eigene Krankheit einzuschätzen. Für die einen ist die Sache eindeutig: die Nase läuft und ein Nieser jagt den Nächsten – ab ins Bett und auskurieren. Andere schleppen sich hingegen mit starken Erkältungssymptomen zur Arbeit oder zumindest vor den Rechner im Homeoffice und schätzen sich als arbeitsfähig ein, obwohl ihnen eine Pause besser täte. Doch was bewirkt dieses Verhalten und wieso legen sich viele nicht einfach ins Bett, wenn sie krank sind?
Dass Angestellte arbeiten, obwohl sie krank sind, bringt negative Folgen mit sich und das auf Arbeitgeber- und Arbeitnehmerseite.
Für die Arbeitnehmer selbst erhöht sich das medizinische Risiko einer Chronifizierung der bestehenden Erkrankung sowie das Auftreten von Folgeerkrankungen, wie bspw. bei einer Erkältung eine spätere Herzmuskelentzündung oder eine langfristige Schwächung des Herz-Kreislauf-Systems. Es kann also das passieren, was man umgangssprachlich als „Verschleppen einer Krankheit“ bezeichnet.
Auch für die psychische Gesundheit ist es schädlich trotz Krankheit zu arbeiten. Man macht Fehler, es kommt zu Unfällen und Mitarbeitende bringen nicht die gewohnte Leistung. Je nach Arbeitsklima machen sich Mitarbeitende Sorgen darüber, ob sie mit negativen Konsequenzen rechnen müssen, weil sie nicht ihre Bestleistung zeigen. Zudem leidet das Selbstwirksamkeitsgefühl darunter nicht so leistungsstark zu sein wie gewohnt. Man schleppt sich zum Schreibtisch, versucht konzentriert zu arbeiten, gibt nach einer Stunde auf und will nur noch auf die Couch. Da können schon einmal Gedanken kommen wie „Warum schaffe ich nicht mehr?“, „Früher hätte ich das doch besser weggesteckt. Ich bin einfach nicht mehr fit.“ oder „Was ist, wenn ich nicht mehr auf mein gewohntes Leistungsniveau zurückkomme?“.
Apropos Psyche: Präsentismus kann nicht nur bei physischen Erkrankungen auftauchen, sondern auch bei Psychischen. Hier ist allerdings wichtig zu unterscheiden: es gibt psychische Leiden, wie emotionale Erschöpfung, bei der Schonen und eine Arbeitspause förderlich ist, es gibt aber auch psychische Krankheiten, wie eine leichte Depression, bei der Arbeiten in gewissem Maße guttut.
Für Arbeitgeber hat Präsentismus in erster Linie ökonomische Nachteile. Durch Fehler, Unfälle und Leistungsabfall entstehen Kosten. Kommt ein Mitarbeitender krank zur Arbeit besteht zudem das Risiko der Ansteckung, wodurch sich die negativen Folgen und Kosten summieren. Wie teuer es Unternehmen zu stehen kommt, wenn ihre Mitarbeitenden trotz Krankheit arbeiten, ist sehr schwierig zu berechnen und Annahmen darüber beruhen immer auf Schätzungen. Man kann sagen, dass die Kosten durch Präsentismus gleich hoch sind, wie die Kosten durch Absentismus, also dem Wegbleiben von der Arbeit aufgrund von Krankheit. Es gibt allerdings auch Berechnungen, die davon ausgehen, dass die Kosten durch Präsentismus deutlich höher sind als die durch Absentismus. Das zeigt zum einen, dass Präsentismus auf jeden Fall Kosten verursacht und zum anderen, dass hier aufgrund der diversen Studienergebnisse noch dringend weitere Forschung notwendig ist.
Es wird deutlich, dass Präsentismus für alle Beteiligten negative Folgen hat. Wieso ist das Phänomen dennoch so weit verbreitet?
Wie so üblich, sind die Gründe vielfältig. Die Gründe können, 1. in der Person selbst liegen, 2. in der Arbeit an sich oder 3. an der Unternehmenskultur.
Gerade Mitarbeitende, die ihre Arbeit sehr mögen und sich durch diese erfüllt fühlen, neigen zu Präsentismus. Man hat Lust zu arbeiten und zeigt ein hohes Engagement, wodurch die eigene Gesundheit in den Hintergrund gerät. Das scheint auf den ersten Blick sehr positiv, führt aber unter Umständen zu einem falschen Verhalten, wie Präsentismus. Außerdem ist es oft schwer einzuschätzen, wie krank man nun wirklich ist. Wo ist die Grenze, ab der man nicht mehr arbeiten kann? Reicht es „Rücken“ zu haben oder eine verstopfte Nase? Das führt dazu, dass sich Mitarbeitende aus ihrer Krankheit sozusagen rausreden und beschließen „Ach, so krank bin ich ja auch nicht.“
Wenn Mitarbeitende das Gefühl haben, so schon kaum hinterher zu kommen, erscheint schon ein Krankheitstag als Rückschlag, der kaum mehr aufzuholen ist. Entweder die Arbeit bleibt liegen oder die schon gestressten Kolleginnen und Kollegen müssen sich drum kümmern –da rafft man sich lieber auf und macht eine Aufgabe trotz Krankheit fertig.
Wie sich Mitarbeitende bei Krankheit verhalten, ist abhängig von der Unternehmenskultur und dem Arbeitsklima. Was sich bei einer schädlichen Unternehmenskultur einschleichen kann, ist, dass es normal wird trotz Krankschreibung zu arbeiten oder zumindest erreichbar zu sein. Man erscheint krank bei der Arbeit, weil es die anderen genauso machen oder aus Sorge einen schlechten Eindruck zu hinterlassen, wenn man Schwäche zeigt.
Eine Studie der Bundesanstalt für Arbeitsschutz und Arbeitsmedizin (BAuA) hat ergeben, dass Mitarbeitende, die häufig von zuhause aus arbeiten eher zu Präsentismus neigen. Grund hierfür könnte sein, dass die „Hürde“ im Homeoffice zuarbeiten geringer ist im Vergleich zur Arbeit im Büro. An einem Online-Meeting kann man zur Not auch mal von der Couch aus teilnehmen.
Die Unternehmenskultur ist häufig Teil des Problems – kann aber auch Teil der Lösung sein! Durch die Unternehmenskultur kann vermittelt werden, dass die Gesundheit jedes einzelnen wichtiger ist als beispielsweise Deadlines und ToDos. Um dies zu verdeutlichen, kommt den Führungskräften eine besondere Rolle zu. Führungskräfte sollten Vorbilder sein und das fängt damit an, dass sie selbst bei einer Krankschreibung nicht erreichbar sind und erst wieder gesund zur Arbeit zu erscheinen. Außerdem sollten Führungskräfte darauf achten, wie es ihren Mitarbeitenden geht und es nicht akzeptieren, wenn Mitarbeitende Präsentismus zeigen.
Ein weiterer Ansatzpunkt ist es, den Mitarbeitenden ein Gefühl von Sicherheit zu vermitteln. Niemand wird den Job verlieren, weil er oder sie sich auskuriert hat. Um einem schlechten Gewissen gegenüber Kolleginnen und Kollegen vorzubeugen, sollte gemeinsam eine Vertretungsregelung beschlossen werden. Darüber hinaus kann man im Team „Krankheitsregeln“ definieren, zu denen alle verbindlich zustimmen. Hierbei kann festgelegt werden, wie man sich bei Krankheit verhalten soll und was erwartet wird bzw. was nicht erwartet wird (z.B. erreichbar zu sein).
Wie bei so vielem ist hier eine begleitende Maßnahme die Kommunikation. In Teams sollte über das Phänomen Präsentismus gesprochen werden, um gemeinsam Lösungen dagegen zu erarbeiten.
Achtet selbst auf euch und denkt daran: Man tut niemandem einen Gefallen, wenn man trotz Krankheit arbeitet.
Wie erlebst du Präsentismus auf der Arbeit? Ist das anstrengend für dich und geht es deinen Kollegen und Kolleginnen genauso? Gerne tausche ich mich mit dir dazu aus!