Unser Blog
Warum das Thema Therapieplatzmangel auch für Arbeitgebende relevant ist.
„Es tut uns leid, es sind leider alle Plätze vergeben.“ Diesen Satz hat jeder am Telefon schon mal beim Anruf im Lieblingsresteraunt gehört. Besonders häufig hört man ihn auch, wenn man zu den 17,8 Millionen Deutschen gehört, die jährlich eine psychische Erkrankung erleiden. Der Satz, der darauf folgt, ist für viele nur eine weitere, schön verpackte Absage:
„Gerne setzen wir Sie auf die Warteliste.“
Die Warteliste. Ein Wort, das niemand gerne hört, vor allem aber dann nicht, wenn es sich um einen Therapieplatz in einer psychotherapeutischen Praxis handelt. Vor der Tür stehen die Leute Schlange, doch gute Plätze sind, wie seit Jahren schon, Mangelware.
Fünf Monate wartet man durchschnittlich in Deutschland auf einen Therapieplatz für psychische Behandlung. Zu lange – vor allem bei psychischen Krankheiten, die einen dringenden Handlungsbedarf voraussetzten, um sich nicht zu verschlimmern.
Die Zahl der Betroffenen steigt, der Bedarf nach psychotherapeutischer Behandlung Post-Covid wächst, bei Erwachsenen um satte 40%. Doch wo bleiben die Angebotsmöglichkeiten, um diese Zahlen aufzufangen und wie entstehen die scheinbar endlosen Wartezeiten?
In Deutschland gibt es zwei Möglichkeiten sich psychotherapeutisch behandeln zu lassen:
Ausschlaggebend ist hier, dass die Krankenkassen eine Psychotherapie nur dann übernehmen, wenn behandelnde Therapeutinnen und Therapeuten einen sogenannten Kassensitz haben. Das bedeutet, dass die Therapiepraxen eine Zulassung haben und somit ihre Leistungen im Rahmen der gesetzlichen Krankenversicherung anbieten können. Und genau hier liegt das Problem, denn die Anzahl der Kassensitze ist in Deutschland seit 1999 stark gedeckelt. Zuständig für diese Deckelung ist der gemeinsame Bundesausschuss (GBA) in Berlin. Nach dessen Bedarfsplanung gelten aktuell folgende Zahlen:
Sind alle Kassensitze in einer Region vergeben, so geht die GBA von einer Vollversorgung aus und vergibt keine weiteren Zulassungen. Der einzige Weg wie Therapeutinnen und Therapeuten unter diesen Voraussetzungen einen Kassensitz erwerben können ist durch die Übernahme einer bereits bestehenden Praxis mit Kassenzulassung. Doch auch diese Option setzt oft ein hohes finanzielles Investment voraus, weshalb mehr und mehr sich für Privatpraxen entscheiden.
Ist es einer/m Versicherten unter dringlichen Umständen nicht möglich einen ambulanten Therapieplatz mit Kassensitz zu bekommen, so kann sich dieser in einer Privatpraxis behandeln lassen und die Kosten im Nachhinein über die Krankenkasse abrechnen lassen. Hier ist jedoch Vorsicht geboten, denn allein im Jahr 2021 haben die gesetzlichen Krankenkassen knapp die Hälfte solcher Kostenrückerstattungsanträge abgelehnt. Weitere Informationen finden Sie hier.
Die langen Wartezeiten auf einen Therapieplatz haben nicht nur negative Auswirkungen auf die psychische Gesundheit der Betroffenen selbst, sondern bringen auch schwerwiegende Konsequenzen für andere Lebensbereiche mit sich. Besonders am Arbeitsplatz machen sich diese Konsequenzen für alle Beteiligten bemerkbar. Ohne psychologische Betreuung kann sich bei Betroffenen nicht nur die Konzentrationsfähigkeit oder der Antrieb vermindern, sondern auf Dauer können auch die kognitiven Fähigkeiten abnehmen. Durch arbeitsbedingte Stressoren lassen sich die Symptome einer psychischen Krankheit oft verschlimmern und eine Verbesserung des psychischen Wohlbefindens bleibt aus. Wo Prävention oft zu spät kommt, stellt sich die Frage was einen als Arbeitgeber erwartet und wie man mit solch sensibler Situation umgehen kann.
Das Thema der psychischen Erkrankung hat aufgrund seiner fehlenden Greifbarkeit für viele Arbeitgeber immer noch einen wesentlich niedrigeren Stellenwert als eine sichtbare physische Krankheit oder Gefährdung. Und dass, obwohl die Zahlen für sich sprechen – und für die Relevanz der psychischen Gesundheit in der Arbeitswelt.
Verwundernd ist diese Tatsache nicht, denn die psychische Verfassung eines Arbeitnehmers ist kaum etwas, dass der Großteil der Unternehmen täglich bei Schichtbeginn misst. Hierbei handelt es sich vielmehr um eine starke Wechselwirkung zwischen der individuellen Ausgangssituation der/s Mitarbeitenden, dessen privaten Stressoren und der Arbeitsbelastung. Wenn die Arbeitsbelastung jedoch nur ein Drittel dieser Interaktion ausmacht, warum sollte man sich dann als Arbeitgeber in der Verantwortung sehen, sich um das psychische Wohlbefinden seiner Mitarbeitenden zu sorgen?
Diese Frage würde sich ganz einfach mit einem Gesetzesauszug beantworten lassen, denn Arbeitgeber sind seit 2013 nach §5 des Arbeitsschutzgesetzes rechtlich verpflichtet eine Gefährdungsbeurteilung psychischer Belastungen in ihrem Unternehmen durchzuführen. Weil sich flächendeckende und regelmäßige Durchführungen solcher Gefährdungsbeurteilungen in der Praxis nur schleppend vorantreiben, haben wir bei improveMID eine zahlengetriebene und automatisierte Herangehensweise entwickelt.
Darüber hinaus bringen psychisch belastete Mitarbeitende hohe Kosten für den Arbeitgeber mit sich. Verminderte Leistungsfähigkeit, lange Ausfalldauer, Wiedereingliederungsmanagement, etc. lassen sich vermeiden, indem Arbeitgebende Arbeitsplätze schaffen, die die psychische Gesundheit der Mitarbeitenden nicht belasten.
Durch die Verschmelzung von Privat- und Berufsleben lassen sich psychische Krankheitsauslöser heutzutage nicht unbedingt einem spezifischen Lebensbereich zuordnen und erschweren dadurch die Identifikation solcher Krankheiten im Anfangsstadium. Viele erwerbsfähige Erkrankte stufen ihren Zustand nicht zwangsläufig als behandlungsbedürftig ein und selbst unter den diagnostizierten Erkrankten begibt sich nur jeder fünfte in adäquate Behandlung. Der Großteil der Erkrankten arbeitet weiter – trotz der vielseitigen psychischen und physischen Folgen.
Diese Folgen stellen Arbeitgeber vor eine finanzielle und ressourcenaufwendige Aufgabe. Von verminderter Arbeitsleistung über Entgeltfortzahlungen und Wiedereingliederung, bringt eine schlechte psychische Gesundheit der Mitarbeitenden im Unternehmen ausschließlich wirtschaftliche Nachteile mit sich.
Im Gegenzug kann ein ressourcenreicher Arbeitsplatz als guter Stabilisator des psychischen Zustands dienen und mögliche Symptome psychischer Krankheiten in Schach halten. Regelmäßige Statuserhebungen und Präventionsmaßnahmen bezüglich der mentalen Gesundheit, ermöglichen Unternehmen eine frühzeitige Erkennung möglicher Stressoren und psychischer Belastungen innerhalb ihres Betriebs. Wenn Sie wissen wollen, wie das geht, melden Sie sich gerne!
Es wird deutlich, dass sich politisch etwas verändern muss, damit mehr Therapieplätze angeboten werden können. Bis dahin sollten Unternehmen ihrer Verantwortung nachgehen und Arbeitsplätze schaffen, die die psychische Gesundheit der Mitarbeitenden stärkt, statt diese zu gefährden.
Wie nimmst du die Verfügbarkeit von Therapieplätzen in Deutschland wahr? Glaubst du, dass Unternehmen eine Verantwortung für das psychische Wohlergehen ihrer Mitarbeitenden haben? Gerne tauscht sich Mitgründerin Ina mit Dir dazu aus!